Mit dem letzten Brief sind wir - endlich - bei der bedingungslosen und wahren Liebe angekommen. Sie entspringt der Wahrnehmung der eigenen Getrenntheit, der Ausgesetztheit unseres Gegenübers und der Einsamkeit Gottes.
Diese Liebe und ihr Gegensatz, die Furcht, wollen wir heute genauer betrachten.
Es gibt eine „gesunde“ Angst, die uns in vielen Situationen schützt und sogar lebensrettend sein kann. Furcht hingegen entspringt einem furcht-baren Geist.
Während wir uns früher vor der Hölle gefürchtet haben, fragen wir uns heute: Bin ich gut genug, gesund genug, reich genug…?
Furcht zu verbreiten ist eine schlechte und alte Tradition. Das jüngste Gericht zeugt davon.
Was hilft gegen diesen Un-Geist? Nur die Liebe!
Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus. So steht es in der Bibel.
Furcht rechnet mit Strafe. Wir aber lieben.
Die alten Griechen hatten verschiedene Begriffe für die Liebe: Philia, die beständige Freundes- oder Bruderliebe, die Gemeinsinn an erste Stelle setzt. Eros, die leidenschaftliche, sinnlich-erotische Liebe. Und Agape, die selbstlose und allumfassende Liebe, welche die beiden anderen mit einschließt und mit der es möglich ist, den Schöpfer und seine Schöpfung, andere Menschen und sich selbst zu lieben. Sie lässt uns unterschiedslos in jedem Menschen und uns selbst ein Ebenbild Gottes erkennen und uns mit dem Scheitern an unseren eigenen Ansprüchen freundlich umgehen.
Das ist die Liebe, von der im letzten Brief die Rede war.
Sie ist ein Geschenk Gottes, der uns nicht furchtsam sehen will.
Zu diesem Geschenk hat uns der 1926 geborene Theologe und Schriftsteller Lothar Zenetti einen besonderen Text hinterlassen. Er trägt den Titel:
Am Ende die Rechnung
Einmal wird uns gewiss
die Rechnung präsentiert
für den Sonnenschein
und das Rauschen der Blätter,
die sanften Maiglöckchen
und die dunklen Tannen,
für den Schnee und den Wind,
den Vogelflug und das Gras
und die Schmetterlinge,
für die Luft,
die wir geatmet haben,
und den Blick auf die Sterne
und für all die Tage,
die Abende und die Nächte.
Einmal wird es Zeit,
dass wir aufbrechen
und bezahlen.
Bitte die Rechnung.
Doch wir haben sie ohne den Wirt gemacht:
Ich habe euch eingeladen,
sagt der und lacht,
soweit die Erde reicht:
Es war mir ein Vergnügen!