Brief 160 - Wunder geschehen!

Zerreiß Deine Pläne. Sei klug und halte Dich an Wunder.

Sie sind lang schon verzeichnet im großen Plan.

Jage die Ängste fort und die Angst vor den Ängsten.

 

Das waren die Schlusszeilen von Mascha Kalékos Text zum neuen Jahr.

Vielleicht ging es Dir wie meinem treuen Leser Georg, der sich die Frage stellte, ob er denn nun an Wunder glauben sollte? Dabei erinnerte er sich an Erich Kästner, der einst meinte: „Wunder erleben nur diejenigen, die an Wunder glauben“.

 

Aber ist das so? Ich komme diesbezüglich - genauso wie Georg - zu einem anderen Schluss. Wir sind der Meinung, dass es doch gerade das „Wesen“ des Wunders ist, dass niemand daran geglaubt hat, dass es niemand für möglich gehalten hat.

 

Der Autor Martin Georg Reisenberg sieht den „Glauben“ an Wunder sogar als problematisch, wenn er schreibt:

 

Wer fortwährend an Wunder glaubt, übersieht jene, welche sich in der Realität vollziehen.

 

Das meinte wohl auch Johann Wolfgang von Goethe, als er im Jahre 1803 in seinem Spiel „Die natürliche Tochter“ den Gerichtsrat zu Eugenie sprechen lässt:

 

Das Wunder ist des Augenblicks Geschöpf.

 

Kann es sein, dass wir derart in unserem konditionierten Denken und unseren alltäglichen Sorgen verhaftet sind, dass wir die Wunder glatt übersehen?

Dann wäre die kommende Woche eine gute Gelegenheit, um - mit Goethes Worten - „des Augenblicks Geschöpf“ mal etwas anders zu betrachten.

Vielleicht kommen wir dann zum selben Ergebnis wie der englische Erzähler Gilbert Keith Chesterton (1874-1936), der die Meinung vertrat:

 

An Wundern ist niemals Mangel in dieser Welt, sondern nur am sich wundern können.