Brief 187 - Dem Himmel entgegen

Es war auf dem Weg vom Bahnhof Altona nach Hause. Ich kam gerade ganz beglückt von einer wunderschönen Tour durchs Alte Land zurück und dachte über meinen abendlichen Pilgerbrief nach. Da stellte ich mir die Frage, ob Du Dich für die in den beiden letzten Briefen thematisierte Suche nach dem Himmel überhaupt hoffnungsvoll auf den Weg machen kannst, wenn sich Deine Lebensumstände gerade schwierig gestalten? Wenn Du eben nicht beschenkt vom Pilgerweg, sondern gefühlt eher erschöpft vom Lebensweg durch Ottensen läufst.

 

Die ermunternde Antwort gaben mir die Stockrosen, die zu dieser Jahreszeit im ganzen Stadtteil aus jeder Ritze in die Höhe wachsen. Wenn Du sie etwas genauer betrachtest, bemerkst Du schnell eine Besonderheit: Je karger und enger der Spalt zwischen den Gehwegplatten und der Hauswand ist, desto üppiger wachsen sie dem Licht entgegen. Diejenigen, deren Saat sorgsam in Pötte mit nährstoffreicher Blumenerde gesteckt wurde, machen einen eher erbärmlichen Eindruck. Aber die, die sich unter den lebensfeindlichsten Umständen behaupten müssen, wachsen meterhoch dem Himmel entgegen.

Sie scheinen ihm besonders nah zu kommen.

 

Tun wir es der Natur gleich und stehen immer wieder auf, in der Aufgabe, das Gute zum Blühen zu bringen.

Beat Jan