Die im letzten Brief thematisierte Stimme Deines Gewissens ist keine ermahnende, sondern eine ermutigende. Sie macht Dich nicht klein, sondern bedeutungsvoll. Sie geht weit über den Sinn hinaus, den Dir die Welt zugesprochen hat. Sie spricht von Deinem in Dir verborgenen eigenen Sinn.
Sie verlangt keinen Gehorsam gegenüber den Gesetzen dieser Welt - jener Form des Gehorsams, welche die Menschheit in die größten Katastrophen geführt hat.
Sie lädt Dich ein, auf den in Dir verborgenen, Dir eigenen Sinn zu horchen und ihm zu „ge-horchen“.
Wie vor einer Woche möchte ich mit einem Text von Hermann Hesse schließen, der zu diesem „Eigen-Sinn“ meinte:
Eine Tugend gibt es, die liebe ich sehr, eine Einzige.
Sie heißt Eigensinn.
Von all den vielen Tugenden, von denen wir in Büchern lesen und von Lehrern reden hören, kann ich nicht so viel halten.
Und doch könnte man alle die vielen Tugenden, die der Mensch so erfunden hat, mit einem einzigen Namen umfassen.
Tugend ist: Gehorsam.
Die Frage ist nur, wem ich gehorche. Nämlich auch der Eigensinn ist Gehorsam.
Aber alle anderen, so sehr beliebten und gelobten Tugenden sind Gehorsam gegen Gesetze, welche von Menschen gegeben sind.
Einzig der Eigensinn ist es, der nach diesen Gesetzen nicht fragt.
Wer eigensinnig ist, gehorcht einem anderen Gesetz, einem einzigen, unbedingt heiligen, dem Gesetz in sich selbst, dem „Sinn“ des „Eigenen“.