Der Herbst macht uns deutlich, dass jede Lebensstufe zeitlich begrenzt ist.
Genauso möge der Mensch dem Ruf des Lebens - wie die bunt gefärbten Bäume - folgen und nicht festhalten. Denn das Leben ist ein fortwährender Prozess, der eine Ausweitung von Stufe zu Stufe vorsieht.
Hermann Hesse beschreibt diesen Prozess in einem seiner bekanntesten philosophischen Texte, dem 1941 veröffentlichten Gedicht „Stufen“:
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf’ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Möge Dein mutiges Loslassen und Dein vertrauensvolles Voranschreiten auf dem Pilgerweg durchs Leben Dir diese neuen Räume eröffnen.