Unseren Sinneswahrnehmungen als möglichen Täuschungen auf den Grund zu gehen, führt uns im Bild des Höhlengleichnisses von Platon ans Licht.
Diese Annäherung an die Wahrheit hinter den vergänglichen Erscheinungen fühlt sich nach einer schwierigen Geburt an. Passend dazu hat Platon diesen Prozess als Mäeutik bezeichnet - als Hebammenkunst. Wir werden quasi zu Geburtshelfern einer Wahrheit, die in der Seele jedes Menschen angelegt ist, aber von vorgefassten Meinungen, oberflächlicher Betrachtung und Selbstbetrug überlagert wird.
Sie zu heben kann tatsächlich eine schwierige Geburt werden, die nicht ohne Schmerzen und Wehen vonstatten geht.
Platon wie Pythagoras vertraten die Idee, dass die Seele bereits existierte, bevor sie in unserem Körper inkarnierte. Das Wissen um die Wahrheit ist uns also quasi angeboren, wir tragen es in uns. Es wartet nur auf seine Entdeckung.
Als Menschen sind wir Seele und Körper. Der Körper ist das, was durch die Seele geformt wird. Gleichzeitig ist er das, was die Seele verformt. Die Seele trachtet nach Wahrheit, der Körper nach Befriedigung.
Wenn sich die Wahrheit in uns etabliert, sind wir mitten im Geburtsvorgang der Erkenntnis, dass keiner einfach nur böse, keiner einfach nur falsch, keiner nur ein Verbrecher ist. In jedem von uns steckt die unverfälschte Wahrheit, die zu uns spricht. Wir müssen nur darauf hören. Sie möchte nicht nur erkannt werden, sie treibt unsere eigene sehnsüchtige Suche nach dem Ewigen an. Sie führt uns ans Licht.
Wer ganz gerichtet ist auf eine einseitige Betrachtung der Erscheinungswelt,
wird durch diese Einseitigkeit der wissenschaftlichen Bildung geblendet.
Er erkennt nicht mehr, dass nicht die Erscheinungen selbst die Wahrheit sind, sondern das hinter ihnen liegende Leben;
solches Wissen wird dann zu einem Halbwissen, weil es von der Erkenntnis der höchsten Wahrheit, des Ewigen, abführt.
Platon (428/427-348/347 v. Chr., antiker griechischer Philosoph, Schüler des Sokrates)