Brief 46 - Aus den Fugen geraten

Scheint Dir Deine Welt auch etwas aus den Fugen geraten zu sein? Den Fugen, die - wie bei einer gefliesten oder geklinkerten Wand - Struktur und Halt gegeben haben?

Ja, es scheinen tatsächlich ein paar Steine oder Kacheln aus den Fugen geraten zu sein. Vielleicht ist sogar der tragende Grundstein Deines Sicherheitsgefühls etwas in Schieflage geraten. Oder die Kachel mit dem Motiv der Möwe, die für Dich die Freiheit symbolisiert hat, liegt plötzlich auf dem Boden. Anderswo fehlt der Schlussstein, der dem Bogen über dem Tor zu Deinen Zukunftsplänen den Halt gab.

 

Bereits ein einziger aus den Fugen geratener Stein oder eine zerbrochene Fliese können die Struktur Deines Weltbildes gefährden oder dieses sogar derart in seinen Grundfesten erschüttern, dass es droht, wie ein Kartenhaus in sich zusammenzufallen.

In den Tagesnachrichten hörst Du ständig von kleineren und größeren Beben, welche das Potential besitzen, nicht nur Steine und Kacheln aus den Fugen geraten zu lassen. Sie heißen zum Beispiel Neuinfektionen, Kontaktverbot oder "Lockdown light“. Andere kommen aus Belarus, Bergkarabach, dem Nahen und Mittleren Osten oder den Vereinigten Staaten (um nur ein paar Regionen zu nennen) und sind geprägt von Macht, Unterdrückung, Unterstellungen, Hass und Gewaltbereitschaft. Oder sie kommen aus überfüllten Flüchtlingslagern und gefährlichen Meerespassagen und berichten von Elend und stillem Tod.

Als wäre das nicht schon reichlich zu viel, kommen manchmal noch die Erschütterungen aus Deinem persönlichen Lebensumfeld hinzu.

 

Ich muss aber auch ganz nüchtern feststellen, dass die guten Nachrichten nach meiner Erinnerung schon immer eher die Ausnahme waren. Und die schlechten Nachrichten kamen „gefühlt“ irgendwie immer von weit weg. MEINE Welt schien mir ein sicherer Ort, an dem ich in Friede und Freiheit leben kann.

Corona hat unser aller Leben verändert. Wir sind alle irgendwie und irgendwo zu Betroffenen geworden. Das sorgt fast zwangsläufig für Verunsicherung und wahlweise für Angst, Trauer, Verärgerung oder Wut. Spätestens wenn dann die weiteren schlechten Nachrichten hinzukommen, gerät unser Weltbild schnell ins Wanken.

 

Auch meine Welt ist die vergangenen Wochen und Monate etwas aus den Fugen und in Schieflage geraten. Wenn es Deiner Welt auch so ähnlich ergangen sein sollte, möchte ich heute mit Dir den Mörtel teilen, der mir geholfen hat, meine Welt wieder einigermaßen stabil auszurichten:

Mach Dir zuerst bewusst, dass es nicht die Welt, sondern DEIN WELTBILD ist, welches aus den Fugen geraten ist. Das zeigt sich bereits an den so unterschiedlichen Sichtweisen und Positionen zu den verschiedenen Themen mehr als deutlich. Es handelt sich also um eine ziemlich subjektive Erfahrung.

In diesem Zusammenhang möchte ich Dich nochmals an Brief 33 erinnern. Das war der, in dem es um unsere eigenen Wahrheiten ging.

Er befasste sich mit der Frage, ob sich mit unseren so unterschiedlichen typologischen Mustern und erfahrungsbedingten Konditionierungen überhaupt eine Wahrheit finden lässt? "Wohl kaum" war die wenig überraschende Antwort, während im Hintergrund das Fazit des Hermes Trismegistos stand:

Alle Wahrheiten sind nur halbe Wahrheiten!

 

Brief 33 zog daraus das Fazit: Du brauchst nicht mehr um Deine Position, Dein Weltbild, zu kämpfen! Und Du kannst Deinem Gegenüber trotz seiner konträren Meinung mit Würde und Respekt begegnen.

 

Warum ich das heute nochmals wiederhole? Weil ich um das Miteinander in friedlicher Koexistenz gerade etwas besorgt bin. Etwas mehr davon würde meinem Weltbild zu mehr Stabilität verhelfen. Eben so wie frischer Mörtel in losen Fugen!

Wir brauchen Friedensstifter und keine Rechthaber!

 

Was aber ist mit all den „bad news“, die wir Tag für Tag den Medien entnehmen müssen und die einfach keiner Diskussion über Recht und Unrecht bedürfen? Den Nachrichten, die von einer Welt berichten, die unstrittig aus den Fugen geraten ist und bei den Betroffenen fast zwangsläufig zu Angst, Trauer und Wut führen müssen?

 

Dann braucht es klare Worte. Worte, mit denen wir den Verursachern gegenüber Position beziehen und Grenzen aufzeigen. Und Worte, die den Leidtragenden unsere Solidarität und Verbundenheit bezeugen. Aber auch die Taten, die uns möglich sind, um neue Hoffnung zu schöpfen.

 

Aber genauso braucht es auch den Friedensstifter! Und dieser Friedensstifter bist Du!

Immer dann, wenn Du mit dem Verurteilen aufhörst und mit dem Vergeben anfängst. In Deinem Leben, in Deiner Welt.

 

Denn Dir ist, spätestens aus dem oben beschriebenen, bewusst geworden, was der XIV. Dalai Lama so ausgedrückt hat:

 

Wenn wir erst einmal festgestellt haben, dass die Grundnatur des Menschen eher mitfühlend als aggressiv ist, dann verändert sich die Beziehung zu unserer Umwelt völlig. Zu sehen, dass die anderen grundsätzlich von Mitgefühl geprägt sind, anstatt sie als feindliche und egoistische Wesen anzusehen, entlastet uns von vielen Spannungen und führt uns zu Vertrauen und einem Leben in Gelassenheit. Es macht uns, kurz gesagt, viel glücklicher. 

 

Vergiss bitte nie, dass Du selbst als Teil der Schöpfung auch eine aktive Rolle hast. Du selbst erschaffst Deine Welt mit!

Die schlechten Nachrichten des Tages, die Erschütterungen, die unser Weltbild aus den Fugen geraten lassen, sind nicht von der universellen Schöpferkraft, sondern vom menschlichen Schöpfergeist gemacht. So machtvoll ist der Mensch.

 

Mit genau dieser Macht kannst Du aber auch für Frieden, Harmonie und Stabilität in den Fugen Deines Lebens und DEINER Welt sorgen. Es ist Deine Entscheidung!