Brief 50 - Respekt

Das Mitgefühl mit uns selbst schenkt uns das Vermögen, die Verurteilung in Vergebung zu verwandeln, den Hass in Freundschaft und die Furcht in Respekt vor allen Lebewesen.

 

Dieses Zitat von Jack Kornfield schlug im letzten Brief den Bogen von der Selbstliebe zu der Wirkung, die diese in unserem Leben entwickeln kann. Vergebung, Freundschaft, Respekt… Wäre doch ganz schön, wenn dieses Trio mit der beginnenden Adventszeit so in unser Leben Einzug erhielte wie Adventskranz, Kerzen und Lichterkette.

 

Ich bin nicht weltfremd und weiß, dass das manchmal ganz schön herausfordernd sein kann! Gerde im Umgang mit jenen Mitmenschen, von denen wir uns gut vorstellen könnten, dass es sie in unserem Leben nicht gäbe oder niemals gegeben hätte.

Aber dann kommt mir irgendwann wieder in den Sinn, dass es gerade diese Zeitgenossen sind, welche mir den Spiegel vor Augen halten und zeigen, dass in mir noch Verurteilung, Hass und Furcht vorhanden sind.

Vielleicht sagst Du jetzt: Moment, der andere ist doch der Auslöser für diese Emotionen, die ja eigentlich gar nicht zu mir gehören! Diesem Menschen kann „man“ nicht vergeben, Freundschaft anbieten oder Respekt zollen!

 

Der XIV. Dalai Lama sieht das etwas differenzierter, wenn er schreibt:

 

Jeder besitzt gute Eigenschaften - man muss nur bereit sein, sie zu finden. Wenn Sie das tun, dann müssen Sie zugeben, dass Ihre negative Sicht eines Menschen auf Ihrer eigenen Wahrnehmung beruht, also mehr auf Ihrer geistigen Projektion als auf der wahren Natur dieses Menschen.

 

Das sitzt… Wenn auch etwas schmerzhaft! Und es erinnert uns an das Thema der "halben Wahrheiten“, das wir ja bereits beleuchtet haben.

An anderer Stelle ergänzt er:

 

Versuchen wir, das Beste eines jeden Menschen zu erkennen, den anderen im bestmöglichen Licht zu sehen. Diese Einstellung erzeugt sofort ein Gefühl der Nähe, eine Art Geneigtheit, eine Verbindung.

 

Nähe, Geneigtheit, Verbindung… Das klingt im Advent 2020 wie eine Botschaft aus einer anderen Welt. Aber es ist ein Versuch, der Dir hier und jetzt offen steht! Ich stelle mir gerade vor, was passieren würde, wenn alle, die diese Zeilen lesen, sich darauf einließen. Ich glaube, dass für unsere Adventszeit mehr gewonnen wäre als durch geöffnete Weihnachtsmärkte, Glühwein und Firmenfeiern beim Lieblingsitaliener. Zum Beispiel mehr Frieden!

 

Dazu nochmals der Dalai Lama:

 

Eine Voraussetzung für den Frieden ist der Respekt vor dem Anderssein und vor der Vielfältigkeit des Lebens.