Brief 72 - Die Herzlichkeit der Vernunft

Das Spannungsfeld zwischen Vernunft und Verstand, ergänzt mit den Zitaten von Albert Einstein, scheint viele von euch bewegt zu haben. Danke für die zahlreichen Rückmeldungen! Da wurde sogar im Internet recherchiert, wie die beiden denn eigentlich definiert werden. Und das ist durchaus spannend:

 

In der Philosophie ist der Verstand das Vermögen, Begriffe zu bilden und diese zu Urteilen zu verbinden. Das Wort stammt vom althochdeutschen „farstän“, was die Bedeutung von „davor stehen“ hatte. Es geht also darum, eine Sache genau wahrzunehmen, sie zu begreifen und zu verstehen.

Hier wirken Logos, Denkkraft und Intelligenz.

Die Vernunft wiederum ist als das durch Denken bestimmte Vermögen zur Erkenntnis definiert. Der Begriff wird auch in der Bedeutung des „vernünftigen Handelns“ sowie „einer höheren Ordnung gemäß“ verwendet.

 

Der Verstand dient also bestenfalls dazu, die Vernunft zu befähigen, allgemein gültige Zusammenhänge zu erschließen, Schlussfolgerungen zu treffen, Bedeutungen zu erkennen sowie Regeln und Prinzipien aufzustellen. Die Vernunft ist somit das oberste Erkenntnisvermögen. Dieses kontrolliert den Verstand, erkennt dessen Beschränkungen und kann ihm Grenzen setzen. Damit ist die Vernunft das wesentliche Mittel geistiger Reflexion und das wichtigste Werkzeug der Philosophie.

Darüber hinaus nahmen einige der großen Philosophen auch die Existenz einer objektiven Vernunft an, ein die Welt durchwaltendes und ordnendes Prinzip als metaphysische oder universelle Vernunft - man könnte es auch Weltgeist, Schöpfer oder GOTT nennen.

 

Soviel zur Theorie! Was aber zeichnet eine Vernunft aus, die aus unser inneren Tiefe schöpft? Was bringt eine Vernunft hervor, die auf dieser tiefen Ebene mit einer universellen Vernunft verwoben ist?

 

In einem Interview mit dem Deutschlandfunk zu seinem Buch „Die Herzlichkeit der Vernunft“ sagte der Schriftsteller Ferdinand von Schirach: „Die Vernunft ist vor allen Dingen menschenfreundlich.“

Und er fährt fort: „Es ist letztlich eine Freundlichkeit dem Leben gegenüber. Es ist das zutiefst Menschliche.“

 

Wenn Du Deinen Verstand dafür benutzt, zu „vernünftigen“ Erkenntnissen zu kommen, dann sind diese von Freundlichkeit dem Leben und den Menschen gegenüber geprägt.

Dann lässt die universale Schöpferkraft ihr freundliches Licht durch Dich wirken. Dann bist Du mit allem in Verbindung, mit allem gemeinsam auf dem Weg.

 

Im selben Interview erwähnt Schirach auch den römischen Kaiser und Philosophen Mark Aurel, der einst darauf aufmerksam machte, dass Alexander der Große und sein Maultiertreiber denselben Weg genommen haben. Und er ergänzt: „Es bleibt uns also nichts anderes übrig, wir müssen zusammenhalten.“

 

Was uns Mark Aurel, dessen Geburtstag sich just diesen Montag zum 1.900ten mal jährte, zur Wahrung der Vernunft in  Zeiten, wie wir sie gerade erleben, noch mit auf den Weg gegeben hat, darum wird  es im nächsten Brief gehen.

 

Sei gespannt, bleib freundlich und tanz Dich gut in den Mai!