Wie angekündigt soll heute der vor 1.900 Jahren geborene römische Kaiser Mark Aurel zu Wort kommen, wohl der mächtigste Mann des zweiten Jahrhunderts. Was kann er uns zur Wahrung der Vernunft in schwierigen Zeiten empfehlen? Er, der mit Aufständen, Kriegen, dem Tiber-Hochwasser und einer verheerenden Seuche zu kämpfen hatte?
Schon im Altertum bezeichnete man ihn als „Philosophen auf dem Kaiserthron“. Sein Buch „Selbstbetrachtungen“ gilt bis heute als Bestseller. Als er mit 40 Jahren Kaiser wurde, wollte er seinen Adoptivbruder nicht verprellen und entschied sich, den Staat gleichberechtigt mit ihm zu regieren.
Bald geriet seine Regentschaft in den Schatten einer Pandemie. Im Gebiet des heutigen Syrien hatte ein König Rom den Krieg erklärt. Nach vier Jahren siegten die Römer am Euphrat und schleppten von dort bei ihrer Rückkehr eine neue Seuche, vermutlich eine Art Flecktyphus, nach Rom ein. Rasch breitete sich die Epidemie in der Stadt und in weiten Teilen des römischen Reichs aus. Mark Aurel zog den damals bedeutendsten Arzt, Galenos von Pergamon, zu Rate. Doch weder dessen Ratschläge noch Opfer, die man den Göttern bringen ließ, konnten helfen. Alles, was übrig blieb, war, die körperliche Nähe zu den Erkrankten zu meiden.
Doch für Mark Aurel gab es etwas, was ihm noch wichtiger war: Die Würde der Vernunft zu wahren! So stellte er die Frage: „Ist nicht die Zerstörung der menschlichen Vernunft eine viel schlimmere Seuche als die Übertragung der Pest durch die Atemluft?“
Geistig-moralische Verderbnis war für Mark Aurel ein größeres Übel als der Tod, den er nicht als Ende, sondern als Verwandlung ansah: „Nichts, was gestorben ist, fällt aus der Welt. Alles bleibt erhalten, es ändert nur seine Existenzform.“
Ab dem Jahr 168 zog Mark Aurel regelmäßig an die Donau, um die im Winter über den zugefrorenen Fluss eindringenden Germanenstämme zurückzudrängen. In diesen Kämpfen schrieb er vermutlich nachts im Zeltlager sein großes Buch, in dem er sich selbst beharrlich ermuntert, die Schönheit des Kosmos auch in den einfachsten Dingen zu erkennen. So vermerkte er beispielsweise „So bekommt das Brot manchmal beim Backen Risse, die nicht in der Absicht des Bäckers lagen und doch eine erstaunliche Anziehungskraft für den Appetit haben.“
Wahrlich ein erstaunlicher Mensch. Vernunft bedeutete für ihn, der Natur gemäß zu leben. So schrieb er:
Das Grundprinzip des menschlichen Handelns kann kein anderes sein als: Lebe der Natur gemäß! Tue, was Du Deiner geistigen Natur, Deiner Vernunft gemäß tun mußt. Lebe Deine Vernunft, in welcher Deine Bestimmung sich erfüllt; Deine Menschenwürde, der Tugend gemäß. Folge also der Gottheit; mache das Gesetz, welchem sie, die höchste Vernunft, folgt, zur Regel Deines Handelns, und lass Deinen Willen mit dem Willen des Weltenherrschers übereinstimmen.
Das es sich tatsächlich um ein Grundprinzip handelt, zeigt sich daran, dass es auch 1.900 Jahre nach der Geburt von Mark Aurel noch uneingeschränkte Gültigkeit hat. Und so sollten wir es auch in der aktuellen Pandemie nicht vergessen und die Vernunft der Menschenwürde zur Grundlage unseres Handelns machen.
Darf sich auch DEIN Handeln daran orientieren?